Lockdown-Lyrik 2.0 / 032: »resümee« von Andreas Altmann

»Lockdown-Lyrik 2.0! Quarantäne poetisch ausleuchten – etwas ernst zu nehmen heißt nicht, sich davon unterkriegen zu lassen« ist eine Online-Sammlung von Gedichten, die sich mit der Corona-Krise befassen. Es darf uns weiterhin die Sprache nicht verschlagen! In loser Folge erscheinen neue Episoden der nun von Sabine Schiffner, Anton G. Leitner, Alex Dreppec und Fritz Deppert herausgegebenen Anthologie (Dank an Jan-Eike Hornauer für die Mitherausgeberschaft bei Folge 1-154).

 

Andreas Altmann

resümee

felder sind winterreif. bäume öffnen den blick.

gräber werden jetzt tiefer gelegt. die körper

berühren sich nicht mehr. bald werden worte

folgen. die zeit schüttet steine aus den uhren.

sie wird schwer, schleppt sich von tag zu tag.

ihr fehlen die augen. braun liegen die wiesen.

nur die birken tragen noch ihre grüne haut.

im stall neben dem weiher lebt die vergangenheit.

ein schwanenpaar verharrt daneben, solange ich

sehen kann. die schatten scheinen müde.

jeden tag höre ich die nachrichten im radio,

jede stunde. es gab viele pilze in diesem herbst,

fast zuviele. mit den jahren gehe ich langsamer ein.

manchmal träume ich, dass ich wach bin. dann

baue ich häuser, die auf eisernen beinen stehen.

ich hab eine frau, eine tochter und bin großvater.

das ist alles. ach, mehr als die hälfte meines

lebens schreib ich gedichte, aber was heißt das schon.

 

© 2020 Andreas Altmann, Berlin
(Redaktion: Anton G. Leitner)

 

 

Lockdown Lyrik 2.0. Wir hatten gehofft, dass es zu keinem zweiten Lockdown mehr kommen würde. Aber jetzt ist er angeordnet, der sog. »Wellenbrecher-Lockdown«. Er beginnt in Deutschland ab Montag, den 2. November 2020 – mit der Aussicht auf triste Herbst- und Wintertage. Grund genug für die Redaktion der Jahresschrift DAS GEDICHT, ihre vieldiskutierte Netz-Anthologie zur Corona-Krise vom Frühjahr 2020 wieder hochzufahren. Möge diese Online-Sammlung zur Pandemie uns allen einmal mehr dabei helfen, tief Luft zu holen und möglichst viele Aspekte der weltweiten Katastrophe mit dem Instrumentarium der Lyrik auszuleuchten, damit wir und unsere Leserinnen und Leser mental nicht unter die zweite Welle geraten!

Sabine Schiffner, Alex Dreppec, Fritz Deppert und Anton G. Leitner
 
PS: Alle bereits geposteten Folgen von »Lockdown-Lyrik! Quarantäne querdenken – etwas ernst zu nehmen heißt nicht, sich davon unterkriegen zu lassen« finden Sie hier. In loser, jedoch zügiger Folge wird die Sammlung erweitert.

 

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