»Lockdown-Lyrik! Quarantäne querdenken – etwas ernst zu nehmen heißt nicht, sich davon unterkriegen zu lassen« ist eine Online-Sammlung von Gedichten, die sich mit der Corona-Krise befassen. Es darf uns die Sprache nicht verschlagen! In loser Folge erscheinen neue Episoden der von Alex Dreppec, Jan-Eike Hornauer und Fritz Deppert herausgegebenen Anthologie.
Sigune Schnabel
Nur geträumt
Die Kinder haben Köpfe
unter den Füßen.
Sie kommen am Morgen
und hängen Lupinen
in Kränzen über mein Wort.
Auf Zimmer drei liegt die Sehnsucht
kalkweiß.
Nachmittags geht sie über den Gang,
drei Schritte hin, drei zurück.
Zwischen den Infusionen trägt sie
einen grünen Mantel.
Morgen bringe ich ihr
meinen letzten Schal.
© Sigune Schnabel, Düsseldorf
Unser Anliegen ist es in jedem Fall, zu einem Mehr an Besonnenheit beizutragen, zu versöhnen statt zu spalten. Mit Sorge sehen wir überharte Diskussionen, wie sie derzeit online, aber auch offline zu häufig geführt werden. Klar ist uns: Es gehört zu einer Demokratie dazu, Konflikte auszutragen. Aber wir insistieren auch hierauf: Es ist ebenso unerlässlich, sich des Gemeinsamen, Verbindenden bewusst zu sein und zu werden sowie respektvoll miteinander umzugehen.
Uns ist bewusst, dass bereits der Ansatz, zur Corona-Pandemie eine Lyrik-Online-Anthologie herauszugeben, ihre Auswirkungen zeitnah lyrisch zu behandeln, und dies aus verschiedenen Perspektiven sowie in unterschiedlichen Tonlagen, als Provokation aufgefasst werden kann. So ist diese Sammlung keineswegs gemeint. Ihr Thema an sich ist jedoch eben hochemotional besetzt. Für uns, die Herausgeber der Reihe, bleibt trotzdem und gerade deshalb wichtig: Wir wollen Brücken bauen, Perspektiven weiten, der ungewohnten Situation mit poetischen Mitteln und im gemeinschaftlichen Sinne begegnen.
Bleiben Sie gesund!
Alex Dreppec, Jan-Eike Hornauer, Fritz Deppert
PS: Alle bereits geposteten Folgen von »Lockdown-Lyrik! Quarantäne querdenken – etwas ernst zu nehmen heißt nicht, sich davon unterkriegen zu lassen« finden Sie hier. In loser, jedoch zügiger Folge wird die Sammlung erweitert.
Liebe Sigune Schnabel, hier eine kleine Entgegnung mit Herzensdank für den gegebenen “nur geträumt”en Anlass! Sofie Steinfest (aka Morin)
Fiebertraum
Lange habe ich nicht
hinter mein Begehren geschaut.
Jetzt aber
mit dir ganz nah immer ganz nah
finde ich mich kaum noch
bei uns zurecht.
In diesen stotternden Gängen
die wir geworden sind
sehenden Auges
eingeschlossen
in unsere Absonderung.
Das habe ich nicht gewollt.
Im Wandfernseher klaffen
rechts die fieberhaften Tiraden
links die wunschlosen Delfingesänge.
Das ist draußen.
Hier die Stationsschwester die nickt
wie der Dackel hinter der Heckscheibe.