Die Lyriker-Elf von dasgedichtblog unter Leitung von Jan-Eike Hornauer kommentiert die Fußball-WM am Zuckerhut – und freut sich auch über Einwürfe von außen. Einwurf 03:
Georg Maria Roers SJ
Berliner Doppel
Ost-Berlin
Die Wolken verfinstern sich
auf der Karl-Marx-Straße Leere
im Kaffeehaus türkischer Tratsch
hier kannst du den ganzen Tag sitzen
bei Baklava und Espresso vorher
Salat und frisch gepresster Orangensaft
es ist schwer hinter den Friedhöfen
in der Hermannstraße 10 € auszugeben
die Zeit totzuschlagen bei schwerem
Sommergewitter vor dem Show-down
West-Berlin
Die Totenstille vor den Spielen
sie spricht Bände ohne Ende
die Fan-Meile vor dem berühmten
Brandenburger Tor im Tiergarten
der Kudamm und das KDW
der Bahnhof Zoo leeres Gelände
ein Wolkenbruch reinigt die Luft
Deutschland hält den Atem an
den meisten verschlägt es die Sprache außer
der Morgenpost: Heute ist ein Neuer Tag
© Georg Maria Roers SJ, Berlin
(geschrieben wenige Stunden vor dem Halbfinale Brasilien – Deutschland)
+ Zum AutorGeorg Maria Roers SJ wurde 1965 in Rees geboren. Er lebt als Priester, katholischer Theologe und Lyriker in Berlin. Dort ist der ehemalige Redakteur von »Geist und Leben« sowie Künstlerseelsorger für München und Freising heute Erzbischöflicher Beauftragter des Erzbistums Berlin für die Bereiche Kunst und Kultur. Bis dato sind fünf Gedichtbände von ihm erschienen, zuletzt: »Wo sind wir auf der Strecke geblieben« (Verlag Sankt Michaelsbund).
Die WM 2014 in Brasilien ausführlich zu kommentieren, und zwar meinungsstark und ästhetisch anspruchsvoll, substantiell und schnell, mit klarem Fokus auf die Spiele selbst (und unter ihnen freilich besonders die mit deutscher Beteiligung), doch auch Randaspekte und Abwegigkeiten nicht missachtend – das ist das Ziel der Dichtermannschaft von dasgedichtblog um Kapitän Jan-Eike Hornauer, bestehend aus: Michael Hüttenberger, Alex Dreppec, Anton G. Leitner, Hellmuth Opitz, Michael Augustin, Paul-Henri Campbell, Michael Sailer, Franziska Röchter, Melanie Arzenheimer und Matthias Kröner. Alle bereits im Blog geposteten Folgen von »Vom Leder gezogen – zur WM 2014 in Brasilien« finden Sie hier.
Das tägliche Gedicht vom Liederpoet
Public Viewing im Himmel – WM 2014
Dauerregen über Deutschland, ob das schon die Zukunft ist
weil Deutschland heute Abend, aber nein das wäre Mist
Der Himmel völlig losgelöst und Petrus hat gewettet
dass Neuer selbst den schärfsten Ball noch auf der Linie rettet
Dort oben, Platz ist ohne Ende, für eine Leinwand lebensgroß
Manna Flatrate, Wein aus Wasser, da ist sicher etwas los
Die Erzengel, auf der Tribüne, wieder mal die besten Plätze
da wird halt, so wie überall, geschummelt, wie ich schätze
Mit breitem Grinsen sitzt ein Teufel vorn im VIP-Bereich
„Mit 60’er Trikot, Deutschland Fanderl, den erkennt man gleich
Dann kommt der Tod kurz vor dem Anpfiff. bringt noch ein neues G’sicht
gibt die Sens‘ am Eingang ab, die braucht er jetzt mal nicht
Das Spiel beginnt, die Zeit bleibt steh‘n, denn jetzt regiert der Ball
Der Herr schaut lächelnd allen zu und denkt, ihr habt’s an Knall
© 2014 Der Liederpoet