Im babylonischen Süden der Lyrik – FOLGE 105: »TALKING ABOUT BANGLA POETRY – ZWEI GEDICHTE VON ASAD CHOWDHURY (BANGLADESCH) – ANSTELLE EINES NACHRUFS«

Tobias Burghardt flaniert jeweils am 5. eines Monats auf DAS GEDICHT blog durch die südlichen Gefilde der Weltpoesie. In der Rubrik »Im babylonischen Süden der Lyrik« werden Sprachgemarkungen überschritten und aktuelle Räume der poetischen Peripherien, die innovative Mittelpunkte bilden, vorgestellt.

 

Heute – vor einem Jahr – starb der bangladeschische Dichter Asad Chowdhury achtzigjährig in Toronto, Kanada. Wenige Wochen nach seinem Tod fand in der Galerie Bishwo Shahitto Kendra im Zentrum der Metropole Dhaka, Bangladesch, eine Gedenklesung statt, an der wir teilnahmen.

Teilnehmer der Gedenklesung für Asad Chowdhury in Dhaka
Teilnehmer der Gedenklesung für Asad Chowdhury in Dhaka (Foto: Kathak, Dhaka)

»Asad Chowdhury war einer der bedeutenden Dichter der 1960er-Jahre in Bangladesch. Er war Dichter, Schriftsteller, Übersetzer, Herausgeber und durch TV-Beiträge landesweit bekannt«, wie der Dichter und Moderator Aminur Rahman von der Poesie-Initiative »Kathak« bei der Gedenklesung erinnerte, an der u.a. auch die bangladeschischen Dichter Mohammad Nurul Huda, Nasir Ahmed, Shakib Lohani, Reaz Ahmad, Mir Akram, der Wortchor Shrutighor und die Rezitatorin Shaila Kabir mitwirkten. Asad Chowdhury arbeitete ab 1985 drei Jahre lang für die bengalische Abteilung der Deutschen Welle, die Willy Brandt ursprünglich mitinitiierte.

Gedenklesung für Asad Chowdhury in Dhaka, hier Vortrag von Mohammad Nurul Huda
Gedenklesung für Asad Chowdhury in Dhaka, hier Vortrag von Mohammad Nurul Huda (Foto: Kathak, Dhaka)

»Asad Chowdhury gehörte zu den Freiheitskämpfern Bangladeschs. Er veröffentlichte rund 300 Bücher und wurde mit der höchsten literarischen Auszeichnung ›Ekushey Padak‹ seines Landes Bangladesch gewürdigt.« (Aminur Rahman)

Bevor er die letzten Jahre seines Lebens in Kanada verbrachte, lernten wir den hochbetagten Dichter Asad Chowdhury im Februar 2017 beim Kathak-Poesiefestival in Dhaka kennen und übersetzten für die Gedenklesung seine zwei folgenden Gedichte, die zuvor in der Anthologie »100 Poems from Bangladesh« (englischsprachige Fassung, 2017) sowie »100 Poemas de Bangladés« (spanischsprachige Fassung, 2020) in der Edition Delta erschienen waren, ins Deutsche.

 

Asad Chowdhury

PFLANZEN

Ein grünes Feuer züngelt auf

Ein jungfräulicher Schoß wird sich niederbeugen
mit der Last der Ernte
Habt Geduld, Geduld, Geduld.
Die Feldlerche, die in der Höhe schwebt, wird
mit milder Sonne nach unten gleiten
und ihr Gefieder backen;
mit der Sonne auf ihrem karminroten Schnabel
wird der Vogel in die Tiefe tauchen.

Grünes Feuer
bewegt den Boden
in der Hoffnung, die Sonne würde sie küssen.

 

 

 

EINIGE WORTE KLINGEN NOCH NACH

Ein paar Worte klingen noch auf deinen Lippen nach.
Nachdem du bis zum Äußersten geflucht und geschimpft hast,
und nach den Schmeicheleien für eigensüchtige Zwecke,
bleibt immer noch der Gedanke – etwas mehr
ja, es gab noch etwas mehr zu sagen.——–

Nach einer langatmigen Rede blickst du
——————–in die trägen Gesichter eines
———————————-gähnenden Publikums

und hast immer noch das Gefühl, dass nichts wirklich gesagt worden ist.

Die geschriebenen Zeilen halten einige der Worte fest.
Farben binden einige zusammen,
und auch die Melodie;
——-und dann fallen einige ab
——————–mit deinen Küssen
—————————und deinen Hieben.

Und auch wenn alles vorbei ist, klingen
auf deinen Lippen noch einige Worte nach.


Übersetzt von Juana Burghardt & Tobias Burghardt


© Asad Chowdhury

 

Wer mehr über »Bangla Poetry« erfahren möchte, findet hierzu einige Texte, Porträts und weitere Hinweise unter »Im babylonischen Süden der Lyrik« Folge 20, Folge 24, Folge 45, Folge 48, Folge 49, Folge 53, Folge 54 und Folge 56.

 

"100 Poemas de Bangladés"
Buchcover-Abbildung (Edition Delta)

 

 

 

 

 


»100 Poemas de Bangladés«
bei Edition Delta

 

 

Tobias Burghardt. Foto: privat
Tobias Burghardt. Foto: privat

Tobias Burghardt (Jahrgang 1961) ist Lyriker, Essayist, Übersetzer und Verleger der Stuttgarter Edition Delta (www.edition-delta.de). Er veröffentlichte den Essayband »Ein Netz aus Blicken. Essays für lateinamerikanische Lyrik« und mehrere Lyrikbände, darunter seine Fluss-Trilogie sowie »Septembererde & August-Alphabet«. Zuletzt erschien seine Werkauswahl »Mitlesebuch 117« (Aphaia Verlag, Berlin/München 2018), sein aktueller Gedichtband »Die Elemente der See« und die umfangreiche Werkauswahl 19912021 »Das Gedächtnis des Wassers«.  2020 erhielt er den Internationalen Poesiepreis »Città del Galateo – Antonio de Ferrariis« in Rom, Italien. Seine Gedichte wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und Einzeltitel erschienen in Argentinien, im Irak, in Japan, Kolumbien, Portugal, Serbien, Schweden, Uruguay und Venezuela. Er ist Mitbegründer und Koordinator des »Babylon Festivals für Internationale Kulturen & Künste«, das seit 2012 jährlich in Babylon und Bagdad stattfindet. Mit seiner Frau Juana Burghardt überträgt er lateinamerikanische Lyrik, katalanische Poesie, lusophone Lyrik und spanische Poesie. Sie sind Herausgeber und Übersetzer der Werkreihe von Miquel Martí i Pol, aus der Pep Guardiola im Sommer 2015 im Literaturhaus München las, und seit Herbst 2014 der Stuttgarter Juarroz-Werkausgabe, dem wir das GEDICHT-Motto »Ein Gedicht rettet einen Tag« (Roberto Juarroz) verdanken. Im Frühjahr 2017 wurden beide für ihr jeweiliges poetisches Werk und ihr gemeinsames literarisches Engagement zwischen den Kulturen und Sprachen mit dem »Internationalen KATHAK-Literaturpreis« in der südasiatischen Metropole Dhaka, Bangladesch, und als Verlagsteam der Edition Delta mit dem »Deutschen Verlagspreis 2021« und dem »Deutschen Verlagspreis 2024« des Kulturstaatsministeriums, Berlin, ausgezeichnet. Tobias Burghardt war GEDICHT-Redakteur der ersten Stunde und organisierte immer wieder wunderbare Sonderteile mit lateinamerikanischer Poesie für unsere Zeitschrift DAS GEDICHT.
Alle bereits erschienenen Folgen von »Im babylonischen Süden der Lyrik« finden Sie hier.


 

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